Santorin
Ob Thera, wie Santorin eigentlich heißt, wirklich der Sage entsprechend entstand, weil vom mythologischen Schiff Argo ein Klumpen Erde ins Wasser fiel, bleibt einmal dahingestellt. Nachgewiesen ist jedoch, dass Kalliste, „die Schönste“, einen großen Teil ihrer Fläche durch einen Vulkanausbruch verlor. Die sogenannte „Minoische Eruption“ fand etwa 1628 v. Chr. statt. Was für die Bewohner Kallistes ein Drama unendlichen Ausmaßes bedeutete, entpuppte sich allerdings als Glücksfall für Archäologen: Die zu Bimsstein erstarrte Vulkanasche konservierte auf einzigartige Weise minoische Siedlungen, die noch heute im Mittelpunkt archäologischer Arbeiten stehen und von neugierigen Besuchern bestaunt werden können.
Vor allem wenn man sich Santorin von Piräus oder Heraklion aus mit der Fähre nähert fällt auf, dass in der weitläufigen Bucht kein Schiff vor Anker liegt und die Küstenfelsen abrupt ins Meer stürzen. Der Grund dafür liegt darin, dass der mittlere Teil der Caldera, denn nichts anderes ist Santorin, als Folge des letzten Vulkanausbruchs zusammenbrach und sich der Krater mit Meerwasser anfüllte. Im Prinzip fährt man also mit der Fähre direkt in den Krater hinein und erblickt vor sich die mit 300 Metern Höhe imposante Kraterwand, an der eine Treppe mit 586 Stufen im Zickzack bis nach unten auf Meereshöhe führt. So erklärt sich auch, warum in dieser eigentlich wunderschönen und geschützten Bucht kein Schiff ankern kann: Hier gibt es praktisch keinen Meeresboden, sondern lediglich einen eingestürzten Krater mehr als 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Apropos Treppen: Von denen gibt es einige auf Santorin, was in Anbetracht der Tatsache, dass man eigentlich auf dem steilen Rand eines Vulkans herumklettert nicht unbedingt verwundert.
Ebenfalls typisch für Santorin sind die vielen ineinander verschachtelten und schneeweißen Häuser, Höfe und Gassen, die die Insel zum Inbegriff für Griechenland nicht nur für Hersteller von Postkarten und Kalendern machen. Fast schon zu schön um wahr zu sein wirken die kleinen Dörfer, deren kalkweiße Häuser und übermauerte Treppengänge hinter jeder Biegung eine Überraschung bereit halten.
Santorin erreicht man mit der Fähre an der steilen Westseite, dort wo auch die Inselhauptstadt Fira hoch über dem Meer liegt. Sie haben keine Lust, die mehr als 300 Meter auf einer steilen Treppe zu erklimmen? Keine Sorge, natürlich können Sie die Höhe auch per Maultier oder Seilbahn überwinden. Einmal oben angekommen bietet sich ein traumhafter Blick über die ganze Bucht und hinüber zu den Nachbarinseln, Caldera View heißt das Zauberwort. Spätestens wenn langsam die Sonne im Meer verschwindet füllen sich die Straßen und die Promenade, die Terrassen und Tavernen mit Besuchern wie Bewohnern und ein kollektives Seufzen ist angesichts der goldenen Schönheit zu vernehmen.
Firas selbst ist nicht mehr das stille, schöne Örtchen, das es mal war: In den engen Gassen und verwinkelten Häusern, auf den Terrassen und in den Kirchen der Stadt drängen sich Tagesausflügler genauso wie Touristen, die mehrere Tage auf der Insel verbringen. Um den Gedränge zu entfliehen, quartieren Sie sich lieber in Firostefani ein: Das Dorf geht fließend in die Stadt über und ist ein guter Ausgangspunkt für eine atemberaubende Wanderung entlang des Kraterrandes nach Oia.
Oia liegt an der Nordspitze der Insel, etwa 10 Kilometer von Fira entfernt. Die Häuser und Treppengänge sind teilweise in den Fels geschlagen, zum Teil wie Schwalbennester kleben die Behausungen am Abhang. Natürliche Grotten wurden liebevoll zu Ferienwohnungen oder Hotel-Suiten ausgebaut – Caldera View inklusive. Schon von Weitem leuchten die weißen Häuser mit den blauen Kuppeln der Kirchen um die Wette, gekrönt vom alles überragenden Kastell – kein Wunder, dass auch viele Künstler diesem einladenden Motiv nicht widerstehen konnten und es auf Leinwand, Aquarellpapier oder in großformatigem Druck einfingen. Von Oia aus führt ein Weg hinunter zum schmalen Strand, der jedoch häufig überlaufen ist.
Wer es ruhiger mag, fährt oder wandert ein Stückchen weiter, zum Beispiel nach Finika, wo das Gepäck noch auf Eselsrücken transportiert wird und die Strände einsam und sauber sind. Sandstrände suchen Sie hier allerdings vergebens, die gibt es auf der flacheren Seite der Insel an der Ostküste. Kamari und Perissa beispielsweise verfügen über einen kilometerlangen schwarzen Sandstrand, an dem man auch im Sommer immer noch ein freies Fleckchen findet. Taucher kommen eher in Amoudi und Armeni Beach, wo die Küste steil ins Meer abfällt, auf ihre Kosten.
Etwas abseits vom Trubel und meist etwas schwerer erreichbar liegen noch einige Orte, die sich ihre Ursprünglichkeit und ihren Charme bis heute bewahren konnten. Ein Beispiel dafür ist Imerovigli: Wie der Name schon verrät ist die Festung über diesem Dorf italienischen, genauer gesagt venezianischen Ursprungs. Das schöne, mittelalterliche Dörfchen ist spärlich besucht, was wohl auch daran liegt, dass es den höchsten Punkt der Insel bildet. Die Aussicht von hier aus entschädigt allerdings für die Anstrengungen des Aufstiegs.